Radio-Telemetrie-Netzwerk zur Erfassung des Kleinvogelzugs über der Ostsee

KUSTER Ruege

Auch nach über 100 Jahren der Vogelberingung bleibt das zeitliche und räumliche Auflösungsvermögen der gewonnenen Wiederfunddaten für bestimmte Fragestellungen in der Vogelzugforschung unzureichend.

Die Radio-Telemetrie trägt heute wesentlich zum tieferen Verständnis des Vogelzugs bei. In Ergänzung zu stationären Radar- und Kamerasystemen ermöglicht der Einsatz von ultraleichten Radiosendern selbst bei Kleinvögeln und Fledermäusen eine artspezifische, zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Analyse des Zugverlaufs auf Individualebene.

Windpark

Auch im angewandten Bereich nimmt die Telemetrie an Bedeutung zu. Wenn es beispielsweise um die Einschätzung der Barrierewirkung von Offshore-Windparks und der Kollisionsrisiken für Vögel an Windturbinen geht, bilden art- und individuenbezogene Daten die Grundlage für eine objektive Bewertung dieser Belange.

Die radio-telemetrische Erfassung des Kleinvogelzugs wird jedoch von der geringen Sendeleistung limitiert und liefert an den wenigen bisher vorhandenen Empfangsstationen meist nur Punktdaten zu Abflugzeit und -richtung.

Um diesen Limitationen methodisch zu begegnen, wurde 2016 der Aufbau eines europaweiten automatisierten Empfangsnetzwerks initiiert.

Bisher war die Messanordnung im Ostseeraum auf zwei Standorte beschränkt, nämlich Falsterbo in Südschweden und der Forschungsplattform FINO 2 inmitten der Ostsee.

Fino 2

Um die räumlich-zeitliche Auflösung der erfassten Daten zu erhöhen, ist vorgesehen, entlang der Küste Mecklenburg-Vorpommerns unter Nutzung der bestehenden Infrastruktur des Internen Messnetzes Küste (IMK) zusätzliche Empfangsstationen zu installieren. Diese Stationen werden in annähernd äquidistanter Anordnung zusammen mit den bisher installierten Stationen ein untereinander kalibrierbares Messnetz bilden.

Standorte

Mit weiteren Empfangsstationen im Küstenhinterland könnte das Spektrum der lösbaren wissenschaftlichen Fragen nochmals erheblich erweitert werden, insbesondere hinsichtlich möglicher Unterschiede im Zugverhalten über Land und See (Breitfront- versus Schmalfrontzug), zur Orientierung und – damit verbunden – zur unterschiedlichen Verteilung ziehender Vögel im bodennahen Luftraum sowie zur Nutzung von Rastgebieten.

Eine mit dem regelmäßigen Vogelfang auf Falsterbo (Herbstzug) und auf der Greifswalder Oie (Frühjahrzug) einhergehende Besenderung von Singvögeln sollte gleichzeitig um weitere Fangstationen erweitert werden (z.B. Hiddensee, Darß, Zingst, Küstenhinterland), um die Datendichte zu erhöhen.

Beringen

In Kombination mit dem traditionellen Beringungswesen existiert ein sehr hohes ehrenamtliches Potential sowie bereits etablierte Datenbankstrukturen wie movebank.org oder motus.org.

Auf Empfängerseite wären bestehende Infrastrukturen und Erfahrungen aus der Amateurfunkgemeinschaft und dem marinen Umfeld eine interessante Ergänzung zum klassischen Fang-Wiederfang-Konzept der Ornithologen!

Ein allgemein zugängliches Radio-Telemetrie-Netzwerk ist nicht nur für die ornithologische Grundlagenforschung von hoher Bedeutung, es bietet auch bei Projekten der angewandten ökologischen Forschung neue Möglichkeiten. Vor allem im Hinblick auf das für die Planung von Offshore- und Onshore-Windparks zu bewertende relative Kollisionsrisiko für Vögel (und Fledermäuse) entlang von stärker frequentierten Zugwegen könnten künftig konkrete, quantitative Aussagen auf Art- und Individualebene gemacht werden.

Kontakt

Tim und Alex

E-Mail: bigopensky (AT) ifgdv.de

Dr. rer. nat Tim Coppack (Einbeck)

Dipl. Phys. Alexander Weidauer (Greifswald)

Quellen

CAnMove Universität Lund (Schweden)
Deutschen Amateur-Radio-Club e.V.
Euring
Vogelwarte Falsterbo (Schweden)
FINO2-Projekt
Jordsand
Motus Wild Live Tracking
Movebank
Vesseltracker
Vogelwarte Helgoland